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Predigt über Hebr. 4,14-16
Predigt über Hebr. 4,14-16
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Predigt über Hebr. 4,14-16
Hebr. 4,14-16 Invokavit
Ev. Thomaskirche Overberge 10. März 2019
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
„... auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit.“
Jau. – So war das wohl schon immer, und so ist das heute auch noch. Wenn die Menschen in Not sind, es ihnen nicht gut geht, sie Hilfe brauchen oder nicht weiter wissen, dann suchen sie Gott: In Kirchen, im Wald, im Gebet, vor einer Kerze, beim Meditieren oder in sphärischer Musik.
Manchmal, ja manchmal suchen sie Gott auch, wenn es ihnen gut geht, sie Freude haben oder dankbar sind. Auch dann suchen sie Gott in Kirchen, im Wald, im Gebet, vor einer Kerze, beim Meditieren oder in sphärischer Musik.
Aber meistens eben, viel öfter noch, wenn es ihnen eben nicht gut geht und sie Sorgen haben. Dann suchen sie, suchen wir Gott. – Das war. Das ist so. Und so wird es bleiben.
Zur Zeit Jesu konnten die Menschen Gott allerdings nicht so leicht finden. Und schon gar nicht einfach so zu ihm kommen: Der Weg zu Gott ging über Priester und Hohepriester. In den Tempel, über Vorhöfe und Opferaltäre hin zum Allerheiligsten, das für die allermeisten verschlossen und verhangen war. Da war Gott. Da konnte man ihn finden. Da ließ er sich finden. 1x im Jahr. Dort konnten sie Erbarmen und Erlösung, Gnade und Hilfe finden.
Wenn die Menschen Gott suchten, konnten sie ihn nicht so einfach finden. Es gab feste Wege und Regeln. Und Hierarchien: Der „normale“ Mensch, also ihr, stand unten; ich als Pastor, Priester, Geistlicher war schon ein paar Stufen höher (und das nicht nur, damit ich von hier aus besser gesehen oder gehört werde); und ganz oben, da war der Hohepriester. Der war ganz nah bei Gott. Quasi auf „du und du“. Aber nur einmal im Jahr. Mittler zwischen Gott und Menschen. Da im Tempel hinter dem Vorhang einmal im Jahr, da kamen sie sich ganz nah. Zu anderen Zeiten gab es diese Nähe nicht.
Aber wenn die beiden sich ganz nahe waren, dann war es gut für das Volk. Denn der Hohepriester, war Mittler und Übermittler, konnte Gott um Hilfe und Vergebung bitten um Rettung von aller Not. – Nicht nur für sich sondern für alle, in deren Auftrag er zum Thron Gottes hatte Zugang finden dürfen. – Und Gott gewährte Schutz und Hilfe, Vergebung der Sünden und Rettung aus der Not. (Nicht immer sofort, aber in gewissen zeitlichen Abständen schon. So, wie das immer schon war und heute eben auch noch so ist.)
So ging das Jahr um Jahr. Denn alle Hilfe und alle Vergebung musste jedes Jahr neu von Gott erbeten und gewährt werden. Jedes Jahr neu ging der Hohepriester ins Allerheilige, opferte und betete und erhielt die Gnade, die Gott verheißen hatte.
Das galt für die Juden. Schon jahrhundertelang.
Und für die Christen? Die damals und für uns heute? – Hatten die / haben wir denn auch so einen Hohepriester?
Ja. Haben wir. Aber einen ganz anderen als die Juden zur damaligen Zeit. Wir haben „einen großen Hohenpriester, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat“. Der nicht nur auf Erden war sondern auch im Himmel (denHimmeln sogar, wie es in der Bibel heißt. Aber das wird mal Thema einer anderen Predigt sein.) Der „Knechtsgestalt“ annahm, wie es im Philipperbrief heißt, Mensch wurde mit allem, was dazu gehört, („einen ...der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde“) gestorben ist und wieder auferstanden. – So einen Hohenpriester haben die Juden nicht.
Und dieser Hohepriester, der Mittler, braucht weder Tempel noch Vorhang. Bei seinem Tod wurde der Vorhang des Tempels zerrissen. Wir brauchen ihn nicht mehr. Der Weg zu Gott ist frei. Unser Hohepriester hat ihn für uns eröffnet. Keine Hierarchien mehr. Und auch kein Zeitfenster: einmal im Jahr. Der Weg zu Gott ist offen und frei.
Seit Weihnachten, der Geburt von Jesus, wissen wir: Gott kommt zu uns. – Und seit Golgatha, dem Tod von Jesus, wissen wir: Nun dürfen wir auch zu ihm. Ohne Schranken, Mittler oder Hindernisse. Der Weg ist frei. Immer. Jeden Tag.
Wir können „zum Thron der Gnade“, wie es der Hebräerbrief formuliert, zu jeder Zeit, wenn wir es brauchen. Jesus hat uns den Himmel geöffnet. Der Weg zu Gott ist frei.
Etwas, das vor allem uns Evangelischen quasi mit der religiösen Muttermilch eingeflößt wurde und wir von Herzen bekennen. – „Ich kann Christ sein, auch ohne in die Kirche zu gehen“, habe ich schon in meiner Kindheit gehört. „Ich kann Christ sein, auch ohne zur Kirche zu gehören“, wird mir neuerdings immer mal wieder gesagt. „Wir können Gott doch überall finden: In Kirchen, im Wald, im Gebet, vor einer Kerze, beim Meditieren oder in sphärischer Musik.“
Falsch ist das nicht. – Aber so ganz richtig ist es auch nicht. Und vor allem: so richtig erfolgreich ist diese Strategie auch nicht, wenn ich weder Suchen noch Finden gewohnt bin.
Geht mal im Herbst in den Wald und sucht einen essbaren Pilz! – Ich bin mal gespannt, wie viele von euch mit einem essbaren Pilz aus dem Wald wieder heraus kommen. – Es werden nur ganz wenige sein. Weil sie, weil wir es nicht gewohnt sind, nach essbaren Pilzen zu suchen. Und nicht wissen zu unterscheiden zwischen essbaren und nicht essbaren, vielleicht sogar giftigen Pilzen.
Mit der Religion und dem Glauben, dem Suchen und Finden von Gott, von Hilfe, Erlösung, Rettung, Annahme – aber auch Dankbarkeit und Lob – das wird mir kaum gelingen, wenn ich nicht gewohnt bin zu suchen und zu finden. Wenn ich mich nicht kundig mache oder kundig gemacht werde, wenn ich nicht einem Pilzsammlerverein, einer Gemeinschaft von Christinnen und Christen beitrete und regelmäßig gemeinsam suche und finde.
Wir haben einen Hohenpriester, der uns den Weg zu Gott zu allen Zeiten und an allen Orten eröffnet hat. – Ja! Ja. Ja.
Aber wir müssen diesen Weg auch regelmäßig suchen, ihn finden und gehen. Immer und immer wieder. Und nicht zuwachsen lassen. Nicht ungewohnt werden lassen. Nicht einem Irrweg folgen. „Auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit.“
Amen.
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